Starke Frauen und Ihr Beitrag für Murau Murtal
Frau Sperl, Frauen leisten einen immensen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung – insbesondere in ländlichen Gegenden. Wie wird damit umgegangen bzw. worum handelt es sich?
Leider ist nach wie vor selbstverständlich, dass viele dieser Leistungen auf den Schultern von Frauen lasten bzw. Frauen davon betroffen sind. Es sind klassische Felder, die einerseits großteils von Frauen bearbeitet werden, Frauen betreffen und anderseits gering oder auch gar nicht honoriert werden, wie etwa Betreuungspflichten, Haushaltsmanagement, Teilzeitbeschäftigung, Einschränkung in der Mobilität, damit verbundene geringere Flexibilität und geringere Möglichkeiten am Arbeits- und Wirtschaftsmarkt. Diese Leistungen werden mittlerweile schon etwas mehr wertgeschätzt. Dieser Zugang hilft den Frauen jedoch nicht, wenn es um Gefährdung in der Existenzsicherung, Armutsgefährdung, geringere Karrieremöglichkeiten, Ungleichstellung am Arbeits- und Wirtschaftsmarkt, generell in der Gesellschaft geht.
zam und novum machen sich seit Jahren für die Frauen der Region Murau Murtal stark – beschreiben Sie uns bitte deren Aufgaben.
Die Aufgaben von zam Murau Murtal und Novum sind, bei diesen Knotenpunkten anzusetzen und durch Maßnahmen diesen noch immer bestehenden Phänomenen entgegenzuwirken. Beide setzen sich für Gleichstellung von Frauen und Männern ein. Das zam Murau Murtal, das durch das AMS und Land Steiermark beauftragt und finanziert ist, arbeitet an der Schnittstelle zwischen arbeitsuchenden Frauen und Unternehmen, die Personalbedarf haben. Wir planen und setzen bedarfsorientierte Ausbildungsmodelle für Frauen gemeinsam mit Unternehmen um.
Schwerpunkte in der Umsetzung von Ausbildungsmodellen ist die Qualifizierung von Frauen in der Technik und in digitalen Kompetenzen. Digitale Kompetenz ist eine erforderliche Kompetenz in allen Berufsfeldern.
Die Handlungsfelder und das Know-How des Vereins Novum liegen in den Themenbereichen Gleichstellung von Frauen und Männern, Diversitäten von Menschen, Organisations- bzw. Personalentwicklung, in der Arbeit mit und in Unternehmen, Lebensbegleitendes Lernen sowie in der regionalen Entwicklung. Die Kernkompetenzen des Vereins bestehen in der Entwicklung und Umsetzung von regionalen, nationalen und europäischen Projekten in den oben genannten Handlungsfeldern insbesondere die Durchführung der Frauen- und Mädchenberatungsstelle in Murau und im Murtal.
Was konnte seit Bestehen der Beratungsstelle/des zam erreicht werden?
Wir haben es geschafft, dass Unternehmen offener sind, Frauen und Mädchen in Bereichen auszubilden und zu beschäftigen, die nicht klassische Beschäftigungsfelder sind. Wir konnten uns erfolgreich als erste Anlaufstelle in Murau Murtal sowie als Kooperationspartnerin zur Deckung des Personalbedarfs von Unternehmen positionieren und Frauen bzw. Mädchen sensibilisieren sowie motivieren, ihr Leben selbstbestimmt und selbstverantwortlich zu gestalten. Dazu gehört, sich in Berufsfelder bzw. Branchen ausbilden zu lassen und sich in Berufsfelder bzw. Branchen zu trauen, die nicht klassische Beschäftigungsfelder sind. Mit diesem Sich-Trauen könne sie erleben, wie es ist, existenzsichernde Einkommen zu haben, die Lebensqualitäten zu steigern und unabhängig zu sein.
Welche sind derzeit die wichtigsten Beratungsthemen – wo ist der Bedarf besonders hoch?
Die Themen, Bedürfnisse und Unterstützungsangebote sind multikausal und reichen von Ausbildung, Beschäftigung, (Wieder)einstieg ins Berufs- und Arbeitsleben, Kompetenzen im Berufsleben (Digitalisierung etc.), Betreuungspflichten/-möglichkeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Ausbildung), Gestaltung von Arbeitszeitmodelle bis hin zu sehr sensiblen Themen wie Gewalt/Gewaltprävention etc.
Warum kommt Ihrer Meinung nach gerade den Frauen als treibende Kraft und neues starkes Geschlecht in Murau Murtal eine besondere Rolle zu bzw. worin wird diese bestehen?
Die Frauen sind es, die die Familie zusammenhalten. Ist die Frau nicht „gesund“, ist deren work life balance nicht gegeben, ergo ist auch die Familie nicht „gesund“. In weiterer Folge ist der Bezirk „nicht gesund“ – das hat Auswirkungen und Konsequenzen auf die ganze Gesellschaft, auf die Lebensqualität und auf die Attraktivität von Standorten sowie Regionen.
Es ist wichtig, Frauen als treibende Kraft, als Umsetzerinnen, als Gestalterinnen sichtbar zu machen. Es muss „normal“ in den Köpfen der Leute, der Gesellschaft werden, dass Frauen und Mädchen die gleichen Chancen, Möglichkeiten sowie Zugang auf allen Ebenen, in allen Gremien, Ausbildungs-, Berufs- und Beschäftigungsmöglichkeiten – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis – haben. Dafür müssen auch die erforderlichen Rahmenbedingungen sowie die Strukturen vorhanden sein und auch teilweise noch geschaffen werden.
„Gehen die Frauen, stirbt die Region“, heißt es. Was wird getan, dass junge, gut ausgebildete Frauen in der Region bleiben und nicht in die Landeshauptstädte auswandern?
Frauen sind generell der „soziale Kitt“ bzw. Zusammenhalt eines Dorfes, eines Ortes, in und für Regionen, die Partnerinnen und Mütter, Konsumentinnen, Pflegerinnen sowie die Gestalterinnen in und für Regionen. Wenn sie fehlen, geht diese und auch die nächste Generation verloren. Es gehen somit wertvolle, nicht ersetzbare Ressourcen für Regionen verloren.
Zentral sein wird, eine umfangreiche Maßnahmenpalette für Frauen jeglichen Alters (weiter) zu entwickeln und verstärkt anzubieten. Diese kann bzw. soll die Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Ausbau der Kinderbetreuung oder die Schaffung attraktiver Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze abseits der Ballungsräum sein. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen, wird und ist ein must have für die Region. In diesem Kontext gibt es sicherlich noch Entwicklungspotenzial in der Region Murau Murtal.
Haben Sie durch den neuen Regionsauftritt als Österreichs starke Region das Gefühl, dass Aufbruchsstimmung und frischer Wind herrschen?
Politik, Kommunen, die Wirtschaft, regionale AkteurInnen, Multiplikatorinnen bemühen sich gemeinsam, die Stärken der Region sichtbarer zu machen. Es besteht die Wahrnehmung, dass work life balance nicht mehr nur ein Schlagwort ist, sondern auch umgesetzt werden wird. Wahrnehmbar ist, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Dieses gemeinsame Tun ist ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, die Region sichtbarer zu machen und deren Attraktivität zu erhöhen.
Wie sieht Ihr Fahrplan für 2020+ aus – welche Themen werden in naher Zukunft in Angriff genommen?
Ziel ist es ganz klar, weiterhin aktiv für die Region zu arbeiten, Regionalentwicklung, Strategieentwicklung mit Expertise weiterhin zu unterstützen und den eingeschlagenen Weg weiterzugehen sowie die Region Murau Murtal nach innen und außen gut zu vertreten bzw. weiterhin die Leuchtturmeinrichtung für Frauen und Mädchen in der Region zu sein. Auch wollen wir weiter für Frauen und Mädchen die Anlaufstelle für alle Ihre Belange sowie für Unternehmen die Kooperationspartnerin für Ausbildung und Beschäftigung von Frauen und Mädchen sein – insbesondere in der Technik inklusive Digitalisierung. Wir werden Frauen und Mädchen für die Berufsfelder „Technik und Digitalisierung“ noch verstärkter sensibilisieren und motivieren, diese Berufswege zu gehen. Gleichfalls machen wir damit weiter, uns für die Gleichstellung von Frauen und Männern einzusetzen und der derzeitigen demografischen Entwicklung durch Planung und Umsetzung gezielter innovativer Angebote entgegenzuwirken.
Welche leuchtenden Beispiele verleihen Ihnen Stärke bei Ihrer täglichen Arbeit?
Unser aller Motivation sind Frauen und Mädchen, die wir auf ihrem Weg unterstützen konnten, die mit uns ihre Lebensziele, ihre Berufsziele verwirklichen konnten, die ihnen vorher vielleicht verschlossen waren. Was uns auch voranbringt, sind Unternehmen, die wir in der Personalentwicklung begleiten und unterstützen konnten, andere innovative Wege zu gehen. Oder auch Unternehmen, die offen sind, Frauen und Mädchen auch in nicht klassischen Frauenberufen auszubilden sowie nachhaltig existenzsichernd zu beschäftigen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind gelebte Kooperationen mit regionalen und überregionalen StakeholderInnen, AkteurInnen, Institutionen, Unternehmen und Politikern.
Was sind Ihre persönlichen Wünsche an das zusammengewachsene Murau Murtal?
Dass die Marke Murau Murtal nicht nur eine Marke, ein Schriftzug am Papier ist, sondern dass diese Marke lebt. Dass weiterhin im Sinne der in Murau Murtal lebenden Menschen an einem Strang gezogen wird. Dass Gleichstellung für Frauen und Männer in Murau Murtal machbar wird. Dass Strategien und Maßnahme entwickelt und umgesetzt werden, damit der demografischen Entwicklung, dem Gehen von Frauen entgegengewirkt wird. Dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine gelebte Realität wird und dass noch erforderliche Strukturen, Rahmenbedingungen weiterentwickelt sowie geschaffen werden.